Das Herzenshören

Das Herzenshören

Eine Rezension des Romans von Jan-Philipp Sendker


PUKI

 Oktober 2018




Die vollkommenste Liebe der zeitgenössischen Literatur, die ich gelesen habe.
Sprachlich sehr überzeugend umgesetzt.

Das Birma der Vorkriegszeit ist absolut authentisch dargestellt, wodurch der Leser in eine weit entfernte Welt reisen darf, fremde Orte kennenlernt und fremdartige wie auch bekannte Situationen, begleitet von Menschen, die in ihrer Gefühlsreinheit strahlen – Freundschaft, Liebe, Geiz, Egoismus. 

Was man sich unweigerlich fragt, ist, ob die Beziehung zwischen Tin Win und Mi Mi auf wahren Tatsachen beruht, ob es tatsächlich Vorlagen für ihre Geschichte gab. Wenn ja, möchte man nach Kalaw in Birma reisen, um dieser unglaublichen Liebesgeschichte ein Stück näherzukommen, den Weg zu gehen, den sie gingen, einen der Steine zu berühren, den sie berührten und sich ihnen in der ganzen Magie der Geschichte näher fühlen. Wenn nein, wenn tatsächlich alles der Vorstellungskraft des Autors entsprungen ist, muss man beiden – der Story und ihrem Schöpfer – umso höheren Respekt zollen.

Obwohl es der erste Roman des Autors ist, trägt er schon eine unverkennbare Handschrift – u.a. darin, wie bei Rückblenden von einer Geschichte zur nächsten gewechselt wird. Wie eine Kamera, die von einem Menschen zum anderen schwenkt, sich in dessen Lebensgeschichte vertieft und dann, bei einem passenden Anlass, z.B. einer Begegnung, auf einen weiteren Menschen wechselt und dessen Lebensgeschichte erzählt. Alles ist dabei durchdacht und fügt sich absolut glatt ein, nichts wirkt konstruiert, es gibt keine „Denkfehler“ in den vorgestellten Biographien. Wunderschön. Erzählerisch, sprachlich und inhaltlich.

Die einzigen erzählerischen Brüche in der Gesamtstimmung sind die Unterbrechungen bei der Einbettung ins Jetzt. Allein für sich genommen hätte die Geschichte ausgereicht – bspw. anstelle von U Ba, der zum Erzähler wird, hätte ein unpersönlicher Erzähler auch gut fungiert, und das ohne die Reise des Lesers in die Vergangenheit zu unterbrechen.

Aber so etwas verzeiht man gern angesichts einer solchen Meisterleistung.


Rezensiert wurde:

Sendker, Jan-Philipp (2004): Das Herzenshören. München: Goldmann. [2002]




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