Rezension Fuchserde

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Fuchserde

Eine Rezension des Romans von Thomas Sautner   


von PUKI | Juni 2021

 


Dieses Buch ist keine Gute-Nacht-Lektüre. Es ist ein gut geschriebenes und gut recherchiertes Werk über ein sehr belastetes Thema, nämlich die Geschichte einer ethnischen Minderheit in Europa, die im 20. Jahrhundert sehr viel Leid erfahren hat. Wenn man bereit ist, sich mit dem Leid des fahrenden Volkes der Jenischen auseinanderzusetzen, v.a. im Nazireich und im Nachkriegseuropa, wenn man bereit ist, ihre Ausgrenzung nachzuerleben und von Gewaltakten bis hin zum Völkermord zu lesen, erfährt man in dem Buch auch viel über die verborgene Kultur dieser Volksgruppe. Thomas Sautner schildert sehr eindrucksvoll die mehrere Generationen dauernde Familiengeschichte, die in Italien ihren Anfang nimmt und im österreichischen Amaliendorf endet. Das Thema Holocaust geht Sautner auf eine sehr gelungene Weise an – er ist sachlich, er ist nicht pathetisch, verliert sich nicht in Oberflächlichkeiten, und schildert die Situation mit dem gebührenden Ernst. Sehr gelungen sind auch die zwischen den Erzählkapiteln ergänzten Informationskapitel, die den Leser mit geschichtlichen Sachinformationen versorgen. Sautner trägt zur Aufarbeitung des Ausmaßes des Dritten Reiches im Bewusstsein der heutigen Menschen bei und deckt dabei eine weitgehend unbekannte Bevölkerungsgruppe auf, die unter der NS-Herrschaft verfolgt wurde. Was das Buch auch sehr hochwertig macht, ist, dass es viele philosophische Weisheiten enthält, die der Erzähler, der Sippenälteste, in seiner Erzählung an den Sippenjüngsten, seinen Urenkel, den „kleinen Fuchs“, erwähnt. Auf diese Weise bekommt der Leser viel verborgenes Wissen dieser Volksgruppe mit und ganz nebenbei auch einigen Wortschatz, wie „Lowi“ (Geld), „Gadsche“ (Nicht-Jenischer oder Nicht-Jenische), „Funk“ (Feuer), „Hitzling“ und „Biberling“ (Sommer und Winter). Eine empfehlenswerte Lektüre für Leser mit starken Nerven.


Rezensiert wurde: 

Sautner, Thomas (20138): Fuchserde. Berlin: Aufbau Verlag.


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